Krimis und Thriller richtig einschätzen: Was bedeuten Totenflecken?

Kaum hat der Kommissar einen Blick auf das Opfer geworfen, ist er schon völlig sicher: „Der Mann wurde vor sieben Stunde mit einem Messer umgebracht, aber nicht hier, sondern in seiner Wohnung“. So einfach ist die Diagnose in der Wirklichkeit leider nicht. Wie geht der Gerichtsmediziner wirklich vor? Was verraten ihm die Totenflecken? Heute gibt es Tipps für Krimi- und Tatort-Fans.

Ein Tipp für Krimi-Fans: Was Totenflecken über eine Leiche verraten.

Tipps Matthias Matting

Der Gerichtsmediziner ist am Tatort. Die Spurensicherung hat diesen bereits abgesperrt, damit keine Hinweise verlorengehen können. Auch die Auffindesituation der Leiche wurde schon dokumentiert. War sie bekleidet? Lag sie unter einer Decke? Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind für die weitere Beurteilung ebenso wichtig wie deren Verlauf über die bisherige Liegezeit des Toten (was ein Anruf bei den Meteorologen und beim Vermieter – der die Heizkostenabrechnung kennt – klären kann).

Die erste Untersuchung der Leiche beurteilt nun Totenflecken und Totenstarre. Wenn das Herz aufhört, das Blut durch Venen und Arterien zu pumpen, kommt es zur so genannten Hypostase. Durch den Einfluss der Schwerkraft sinken das Blut und alle anderen Körperflüssigkeiten nach unten.
Dieser Prozess kann bereits vor dem endgültigen Tod beginnen, wenn der Blutdruck stark sinkt. Das Ergebnis sind die so genannten Kirchhofrosen, hellrötliche Verfärbungen der Haut, die vor allem hinter den Ohren und an den am Kopf unten liegenden Wangenteilen zu beobachten sind. Die Bezeichnung geht tatsächlich auf den Friedhof (der früher oft im Kirchhof lag) zurück.

Nach dem Herztod beschleunigt sich das Absinken des Blutes. Es sammelt sich in den feinen Blutgefäßen der Haut, und zwar immer an der Unterseite des Leichnams. Die Totenflecken sind zunächst noch klein und von hellroter Farbe. Allmählich verbinden sie sich zu größeren Bereichen. Wenn einzelne Äderchen das Blut nicht mehr aufnehmen können, kommt es zu kleineren, etwa reiskorngroßen Blutungen unter der Hautoberfläche, die man Vibex (Mehrzahl: Vibices) nennt.

Zunächst enthält das Blut noch Sauerstoff, deshalb die rötliche Farbe. Doch dieser wird relativ schnell verbraucht. Die Totenflecken nehmen dann eine blauviolette Farbe an. Allerdings gibt es Ausnahmen: Befindet sich die Leiche in einer kalten Umgebung, kann Sauerstoff in die Haut eindringen und die Umfärbung aufhalten.

Hellrot bleiben die Totenflecken ebenfalls, wenn das Opfer eine Kohlenmonoxid-Vergiftung hat. Das geruchlose Gas, das zum Beispiel aus defekten Öfen austreten kann, wird von den roten Blutkörperchen bevorzugt aufgenommen, sodass der Mensch erstickt, obwohl eigentlich noch genug atembarer Sauerstoff in der Luft vorhanden wäre.

Falls sich keine Quelle für Kohlenmonoxid in der Umgebung findet und auch die Umgebung nicht besonders kalt ist, könnte eine Vergiftung mit Blausäureverbindungen (Cyaniden) oder Natriumfluoracetat vorliegen.

Wenn die Totenflecken weder blauviolett noch hellrot sind, sind ebenfalls Vergiftungen die Ursache. Natriumchlorat sowie Nitrate und Nitrite (Salze der Salpeter-Säure beziehungsweise der Salpetrigen Säure) geben den Flecken eine bräunliche Färbung. Natriumchlorat fand sich früher in Pflanzenschutzmitteln, ist dort jedoch nicht mehr zugelassen. Falls Ihnen in einem Krimi je eine Stewardess als Mörderin oder Verdächtige begegnet, könnte diese Natriumchlorat aus den Sauerstoffgeneratoren gewonnen haben, die im Notfall die Atemmasken der Passagiere mit Luft versorgen.

Eine grüne Färbung der Totenflecke schließlich deutet auf eine Vergiftung mit Schwefelwasserstoff hin. Der typische Geruch nach fauligen Eiern verhindert zwar, dass das Opfer unbemerkt damit in Kontakt gekommen sein kann. Allerdings betäubt Schwefelwasserstoff auch die Geruchsnerven, so dass man eine Erhöhung seiner Konzentration in gefährliche Bereiche nicht mehr wahrnimmt. Zudem sammelt es sich in Bodennähe, da es schwerer ist als Luft.

Totenflecken bilden sich überall dort, wo kein Druck auf die Haut ausgeübt wird. Deshalb sind die Stellen, an denen der Leichnam auf dem Boden aufliegt, von ihnen meist ausgespart und vom Gerichtsmediziner gut erkennbar. Der Arzt wird den Körper also anheben oder umdrehen. Befinden sich die Totenflecken an den richtigen Stellen? Typisch sind bei Rückenlage der Leiche schmetterlingsförmige Aussparungen über den Schulterblättern, am Gesäß und an den Waden. Auch Kleidung, insbesondere eng anliegende, kann dazu führen, dass sich in einem Bereich keine Flecken bilden. Bei Bauch- oder Seitenlage kehren sich die Verhältnisse entsprechend um.

Es mag ein seltsamer Anblick sein, doch dass der Rechtsmediziner die Haut der Leiche im nächsten Schritt scheinbar massiert, hat einen guten Grund. Je nach Liegezeit sind die Totenflecken nämlich mehr oder weniger wegdrückbar. Etwa fünfeinhalb bis sechs Stunden nach dem Tod lassen sich die Flecken durch mehr oder weniger starken Druck mit dem Daumen noch auflösen. Mit der Zeit ist immer mehr Druck nötig. Bis zu 17 Stunden nach dem Tod braucht man dann schon sehr starken Druck mit einem Werkzeug, um noch eine wenigstens teilweise Verlagerung zu erreichen. Wenn der Zellverfall weiter fortschreitet, tritt das Blut dann aber aus den Gefäßen in das Gewebe und lässt sich dann nicht mehr wegdrücken.

Ob und wann der Leichnam nach dem Todeszeitpunkt bewegt wurde, lässt sich anhand der Totenflecken ebenfalls beurteilen. Solange der Zellverfall noch nicht weit fortgeschritten ist, bilden sich die Totenflecken an der richtigen Stelle neu, wenn man den Körper dreht oder sich auch nur die Auflageflächen verändern. Das ist bis etwa sechs Stunden nach dem Tod komplett der Fall. Weitere etwa sechs Stunden lang verlagern sich die Flecken noch teilweise, danach bleiben sie an Ort und Stelle.

Eine Leiche in Rückenlage, die am Bauch Totenflecken aufweist, am Rücken jedoch gar nicht, ist also vermutlich mindestens zwölf Stunden nach der Tat bewegt worden. Fehlen andere Spuren der Tat (Blut etc.), wo die Leiche gefunden wurde, befinden sich die Totenflecken jedoch genau dort, wo sie hingehören, muss sich der Mörder beeilt und den toten Körper höchstens sechs Stunden nach der Tat an einen anderen Ort gebracht haben.

Wie ein Mensch stirbt, woran Gerichtsmediziner die Todesart erkennen und was ein Krimi-Fan sonst noch wissen sollte, verrät das Sachbuch „Schöner Sterben – kleine Mordkunde für Krimifans“ von Matthias Matting

Schöner Sterben – kleine Mordkunde für Krimifans  Sachbuch von Matthias Matting: Unter der verschlossenen Tür quillt Blut hervor. Bei einer Schießerei greift sich das Opfer ans Herz und fällt um. Das Gift, das der gierige Neffe seiner alten Tante in den Tee gemischt hat, wirkt augenblicklich. Typische Krimi-Szenen – die jedoch mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Entdecken Sie die typischen Kennzeichen von Schussverletzungen, Vergiftungen oder Schnittwunden. Beobachten Sie den Rechtsmediziner bei der Arbeit: Welche Spuren wertet er aus? Wie kommt er der Todesursache tatsächlich auf die Spur? Welche Hinweise kann er der Polizei auf das Mordwerkzeug, den Tatablauf und den Täter liefern? Zwölf eigens angefertigte Infografiken zeigen typische Verletzungsmuster und erklären kompliziertere Sachverhalte. Fünf handgezeichnete Bilder aus dem 19. Jahrhundert und drei Fotos ergänzen die Informationen. Aufgrund der detaillierten Beschreibungen empfohlen für Leser ab 16 Jahren. (5.0 Sterne, 16 Rezensionen) (150 Normseiten) hier kaufen!

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