Etwa 20 Prozent der Menschen behaupten von sich, schüchtern zu sein. In sozialen Situationen empfinden sie mehr Angst als andere Menschen. Müssen Schüchterne ihre Angst bekämpfen? Oder braucht unsere Gesellschaft diese Menschen? Im heutigen Artikel geht es um die Erfahrungen, die ein schüchterner Mensch in unserer Gesellschaft macht – und um die Stärken, die hinter dem zurzeit wenig geschätzten Charakterzug verborgen sind.
Schüchtern?
Tipps aus dem Buch von Florian Werner
Schon ein Telefonat mit der Hausverwaltung löst bei Florian Werner Verzweiflung aus. Ansammlungen fremder Menschen meidet er. Schüchterne Menschen kämpfen mit dem Gedanken, dass ihr Verhalten rational nicht nachvollziehbar ist. Trotzdem tun sie es Tag für Tag aufs Neue.
Man sagt, dass etwa 20 Prozent der Menschen unter Schüchternheit leiden, in den extrovertierten USA bezeichnen sich sogar 42 Prozent der Menschen als schüchtern.
Schüchternheit und die Industrie
Eine ganze Industrie hat sich rund um schüchterne Menschen ausgebildet. Die Pharmaindustrie verdient mit angstlösenden Medikamenten und Antidepressiva ein Vermögen. Zahlreiche Selbsthilfebücher versprechen, den sozial ängstlichen Menschen von seinem Leiden zu befreien. Es gibt Flirtschulen und Coaches für alle Lebenslagen. Nur wer laut ist, wird in unserer Gesellschaft gesehen. Ellbogen und Selbstdarstellung helfen, die Karriereleiter zu erklimmen. Der Schüchtere bleibt außen vor. Oder er bucht eben einen Karrierecoach. Wer schüchtern ist, der hat vor allem Angst. Vor einer plötzlichen Missbilligung oder vor spöttischem Gelächter der anderen. Und Angst ist natürlich ein starker Motor, sich bei der Pharmaindustrie oder in der Ratgeberbranche Hilfe zu suchen.
Schüchterne in der Gesellschaft
Auf der anderen Seite der Skala stehen Menschen, die auch in normalen, angstbesetzten Situationen keine Angst haben. Sie laufen Gefahr sich zu antisozialen Psychopathen zu entwickeln. Mangels Leidensdruck versuchen diese Menschen, ihre Situation nicht zu verändern. Außerdem braucht man ein gewisses Maß an Größenwahn und Rücksichtslosigkeit, um Aufsichtsrat eines DAX-Unternehmens zu werden oder es in eine politische Spitzenposition zu schaffen. Eine Gesellschaft nur aus diesen Alpha-Tieren würde zerbrechen. Jede Auseinandersetzung würde in einem Kampf enden. Daher braucht die Gesellschaft die schüchternen Menschen. Schüchterne sind nicht unsozial, sie sehnen sich danach, dazuzugehören, trauen sich aber nicht, sich ins Getümmel zu stürzen.
Schüchternheit als Stärke
Schüchtere sind häufig altruistisch, sie helfen anderen Menschen. Sie sind sich selbst gegenüber sehr kritisch und machen dadurch weniger Fehler. Viele langweilen sich nicht bei Routineaufgaben, sondern schätzen sie als vertraute Umgebung. Schüchterne Menschen verfügen über Charaktereigenschaften, die für den Umgang mit anderen Menschen wichtig und Vorteilhaft sind. Sie verfügen über Feingefühl, nehmen Rücksicht und empfinden Mitleid für andere. Sie würden nie über die Stränge schlagen, da sie einen Sinn für das rechte Maß haben. Trotz vieler positiver Eigenschaften wurde die Schüchternheit bisher in unserer Gesellschaft nicht rehabilitiert. Aber ohne diese Menschen würde unsere Gesellschaft nicht so funktionieren, wie sie es tut.
Viele weitere Tipps und konkrete Erfahrungsbeispiele finden Sie im Ratgeber „Schüchtern: Bekenntnis zu einer unterschätzten Eigenschaft “ von Florian Werner.