Wir alle können Gedanken lesen oder die Emotionen die ein anderer Mensch gerade durchlebt – jedenfalls zu einem gewissen Grad? Warum können Menschen das und wie bewerkstelligt das Gehirn diese komplexe Aufgabe? Im heutigen Tipp geht es um Spiegelneuronen und deren Bedeutung für unsere Kommunikation und Entwicklung.
Gesichter sprechen Bände
Tipps aus dem Buch von Christian Keysers
Gesichter können Bände sprechen. Schon mit sieben Jahren können die meisten Kinder die Gefühle der anderen sehr gut erkennen. Kein Computer kann ein Bild dahingehend analysieren, ob die abgebildete Person gerade glücklich oder traurig ist. Wie bewältigt das Gehirn diese komplexe Aufgabe?
Spiegelneuronen spiegeln
Die Entdeckung der Spiegelneuronen Anfang der 90er-Jahre machte viele dieser wunderbaren Leistungen unseres Gehirns erklärbar – wir wissen jetzt ebenfalls, warum wir Appetit bekommen, wenn andere Menschen gerade leckere Schokolade essen. Die Spiegelneuronen tun genau das, was ihr Name bereits sagt – sie spiegeln, und zwar die Gefühle der Menschen in unserer Umgebung. So werden die Personen in unserem Umfeld quasi ein Teil von uns. Spiegelneuronen aktivieren unseren Appetit, wenn wir andere Menschen essen sehen. Wir werden traurig, wenn wir jemanden weinen sehen. Dank der Spiegelneuronen sind wir soziale Wesen. Der Beifahrer zuckt mit dem Fuß in Richtung virtuelle Bremse, wenn der Fahrer zu dicht auffährt. Spiegelneuronen sind sehr hilfreich, wenn es darum geht, etwas durch Beobachtung zu lernen.
Eine Funktionsstörung der Spiegelneuronen führt dazu, dass wir uns von anderen Menschen innerlich getrennt oder abgeschnitten fühlen. Mit funktionierenden Spiegelneuronen können wir die Bewegungen von anderen Menschen oder Tieren vorhersagen, eine wichtige Fähigkeit für den Steinzeitmenschen, der jagen wollte oder vor einem Fressfeind flüchten musste.
Menschen sind nicht alle gleich empathisch. Manche Menschen können brutale Filme anschauen, ohne dabei Unbehagen zu empfinden. Andere müssen sich die Augen zuhalten oder sogar den Raum verlassen. Interessanterweise können wir auch Robotern Gefühle zuschreiben, das beste Beispiel sind R2D2 und C2PO aus Starwars.
Ob wir es wahr haben wollen oder nicht, wir werden kontinuierlich von unseren Emotionen gesteuert. Wir tun Dinge, um Lust in Form einer Belohnung zu erhalten oder Unlust in Form einer Bestrafung oder negativen Konsequenz zu vermeiden. Auch die Gefühle der Menschen in unserem Umfeld sind ansteckend. Die euphorische Stimmung bei einem Rockkonzert oder einem Fußballspiel ist der wichtigste Grund, warum Menschen zu Liveevents fahren, statt eine CD einzulegen und die zu hören. Daher lohnt es sich, darüber nachzudenken, mit wem wir eigentlich unsere Zeit verbringen.
Wir nutzen unsere Spiegelneuronen gezielt, um einem Baby oder Kleinkind seine eigenen Emotionen zu spiegeln. Eltern ahmen unbewusst Gesichtsausdrücke und Emotionen des Säuglings nach. Lächelt er, lächeln die Eltern zurück. Die Eltern wirken als Spiegel und helfen dem Säugling so beim Lernen.
Ethik hat viel mit Emotionen und Spiegelneuronen zu tun. Sehen wir eine verletzte Person am Straßenrand, so helfen wir, ohne darüber nachzudenken, ob wir vielleicht zu spät zu unserem Termin kommen. Mehr Menschen werden hier spontan helfen, als Geld für z.B. Afrika zu spenden. Das Geschehen auf einem anderen Kontinent ist weit weg und aktiviert die Spiegelneuronen deutlich schwächer.
Sind Spiegelneuronen gut oder schlecht? Die Frage kann man nicht so einfach beantworten. Spiegelneuronen machen uns hilfsbereit und sorgen dafür, dass wir gut mit anderen Menschen interagieren können. Auf der anderen Seite steht die Werbeindustrie, die Millionen von Euro in alle möglichen Werbemittel steckt, die nur eins zum Ziel haben – unsere Spiegelneuronen so zu aktivieren, dass wir die beworbenen Produkte auch kaufen.
Viele weitere spannende Aspekte und konkrete Beispiele aus Versuchsexperimenten finden Sie im Ratgeber „Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen“ von Christian Keysers.
In der modernen Hirnforschung wurden Fragestellungen wie diese weitgehend ausgeklammert, bis Anfang der 1990er-Jahre italienische Forscher die sogenannten Spiegelneuronen entdeckten, die nach der Kurzformel »Ich fühle, was du fühlst« funktionieren und nicht nur unsere Vorstellung vom Gehirn, sondern auch von unseren sozialen Interaktionen grundlegend verändern sollten. Der Hirnforscher Christian Keysers erforscht seit vielen Jahren diese faszinierenden hochkomplexen Nervenzellen. Nun liefert er eine umfassende, allgemein verständliche Darstellung über ihre Funktionsweise und ihren immensen Einfluss auf das Fühlen und Denken des Menschen. (9 Rezensionen, 4,6 Sterne, 321 Normseiten) hier kaufen!