Osteopathie ist in aller Munde. Osteopathen wenden beim Aufspüren der Probleme ihrer Patienten ein umfangreiches Können und Wissen über die Strukturen und Funktionsweisen des menschlichen Körpers an. Wenig bekannt ist jedoch, dass sich die osteopathischen Techniken und Prinzipien wunderbar für die Selbstbehandlung eignen, da nur der Patient selbst unmittelbar in sich hineinspüren kann.
Wie funktioniert osteopathische Selbstbehandlung?
Tipps aus dem Buch von Thomas Seebeck
Ein Beispiel: Jemand erleidet durch einen Unfall eine Verletzung am linken Knie. Diese führt auf Dauer zu einer Veränderung des Gangbildes, die oft nicht bemerkt wird. Der Körper ist immer um Ausgleich (Kompensation) bemüht. Aufgrund dieser Kompensationsfähigkeit, z.B. durch die Beckenmuskulatur, werden keine Beschwerden spürbar und folglich gibt es keinen Grund, zum Arzt zu gehen. Irgendwann kommt eine zweite Verletzung dazu – vielleicht an der Schulter oder am Kopf. Auch hier wird der Körper versuchen, die Spannungsverhältnisse auszugleichen. Widersprechen sich nun die beiden Kompensationen, kommt es zu Beschwerden im Nacken, wo sozusagen zwei Mannschaften “Tauziehen” spielen. Der Osteopath wird das für die Beschwerden verantwortliche Knie oder auch die Schulter ausfindig machen können. Aber auch der Patient selbst hat über das Prinzip der “Beschwerdezwiebel” die Möglichkeit, die versteckte Beschwerdeursache zu finden.
Ein funktionierendes Selbstheilungs- und Immunsystem kann so ziemlich jedes gesundheitliche Problem lösen. In der Osteopathie geht es deshalb darum, diese oft gestörten Selbstheilungskräfte wieder zu aktivieren und dadurch eine ganz natürliche Heilung zu erreichen. (Thomas Seebeck)
Tipps zur osteopathischen Selbstbehandlung
1. Die drei Komponenten der osteopathischen Selbstbehandlung: Atem, Bewegung und Achtsamkeit
Setzen Sie sich aufrecht und entspannt auf einen Stuhl oder Hocker. Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit und spüren Sie, wie die Luft durch Ihre Nasenlöcher strömt.
Nehmen Sie dies genau wahr: strömt mehr Luft durch das rechte oder das linke Nasenloch oder ist kein Unterschied spürbar? Können Sie spüren, dass die Ausatemluft sich wärmer anfühlt als die Einatemluft?
Jetzt wandern Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit zu Ihrem Rumpf und der Wirbelsäule. Können Sie wahrnehmen, dass mit der Atmung auch eine kleine Bewegung des Rumpfes und der Wirbelsäule verbunden ist? Bei der Einatmung streckt sich die Wirbelsäule ein wenig, bei der Ausatmung sinkt sie wieder etwas in sich zusammen. Wenn Sie dies wahrnehmen können, sind Sie fit für die Selbstbehandlung – denn dafür benötigen Sie nicht mehr, als das Gespür für Atem und Bewegung.
2. Ihre erste osteopathische Selbstbehandlung
Sie haben gespürt, dass mit der Einatmung eine leichte Streckung und mit der Ausatmung eine leichte Beugung der Wirbelsäule verbunden ist. Versuchen Sie nun bitte herauszufinden, welche Bewegungsrichtung Ihnen angenehmer ist. Wenn Sie dies bei der sehr kleinen Bewegung nicht genau spüren können, machen Sie die Bewegung einfach größer. Denken Sie aber bitte daran, dass Sie nach der größtmöglichen Entspannung suchen – wenn Sie sich zu weit in die angenehmere Richtung bewegen, kommt es wieder zu einer Spannungszunahme.
Beugen Sie sich nur so weit wie es angenehm ist. Achten Sie auch auf das Gefühl beim Zurückkehren in die Neutralposition – wenn dieses unangenehm ist, haben Sie sich schon zu weit bewegt!
Beim Strecken kommen Sie natürlich viel schneller an eine Bewegungsgrenze (Barriere), trotzdem kann dies die angenehmere Bewegungsrichtung sein, wenn Sie sich vorsichtig und achtsam bewegen.
Wenn Sie herausgefunden haben, welche der beiden Richtungen Ihnen angenehmer ist, verbinden Sie diese Bewegung mit der Atmung.
Ist Ihre angenehmere Bewegung die Streckung, dann atmen Sie zunächst ein, während Sie sich in die angenehme Position bewegen und aus, wenn Sie wieder in die Neutralposition zurückkehren. Dann kommt die umgekehrte Atemphase: Sie atmen aus, während Sie in die Streckung gehen und wieder ein beim Zurückkehren in die Neutralposition. Welche Kombination fühlt sich besser an? Sollten Sie keinen Unterschied spüren, wählen Sie zum Üben einfach frei nach Gefühl.
Ist Ihre angenehmere Bewegung die Beugung, dann atmen Sie ein, während Sie sich in die Beugung bewegen und aus, wenn Sie wieder zurückkehren. Dann umgekehrt: Sie atmen während der Beugungsbewegung aus und beim Zurückkehren in die Neutralposition wieder ein. Welche Kombination fühlt sich besser an?
Wiederholen Sie nun Ihre “Wohlfühlkombination” aus Atmung und Bewegung für einige Atemzüge. Es ist sinnvoll, am Ende jeder Ein- und Ausatmung eine kleine Pause zu machen – also Atmung und Bewegung gleichzeitig anzuhalten. Wie lang diese Pausen sind, hängt davon ab, was Sie als angenehm empfinden. Im Laufe der Zeit werden Sie den Impuls zum Weiteratmen immer besser spüren können.
Nach zwei Minuten beenden Sie die Übung. Machen Sie eine kurze Pause, in der Sie vielleicht Ihre Schultern kurz bewegen oder sich etwas ausschütteln.
Überprüfen Sie zunächst die Bewegungsrichtung, die Sie geübt haben. Die Atmung spielt jetzt keine Rolle mehr. Diese Bewegung sollte sich zumindest nicht schlechter anfühlen. Dann testen Sie die andere Richtung. Können Sie eine Veränderung spüren? Normalerweise sollte diese Bewegung sich jetzt besser anfühlen als im Eingangstest. Wenn dem so ist – herzlichen Glückwunsch! Dann haben Sie Ihre erste osteopathische Selbstbehandlung erfolgreich durchgeführt
3. Osteopathie: Die Natur in ihrer Heilkraft unterstützen
Dr. Still betonte immer wieder, dass es Aufgabe des osteopathischen Arztes sein sollte, Gesundheit zu finden – und nicht Krankheit. Krankheit könne schließlich jeder finden! Diese Haltung, dieses Prinzip ist in der Osteopathie grundlegend: Es wird immer versucht, den Aspekt der “heilenden Kraft der Natur” im Auge zu behalten. Anstatt Krankheit (als Prinzip) zu bekämpfen, wird versucht, den Körper in einen Zustand zu versetzen, in dem Heilung wieder möglich ist. Versuchen Sie, diesen Aspekt in Ihr Denken zu integrieren: Wenn Sie sich krank fühlen, tragen Sie den Keim zum Gesundwerden immer schon in sich. Dieser Keim kann schneller wachsen, wenn Sie sich auf das Wohlfühlen konzentrieren – und nicht darauf, eine Krankheit zu bekämpfen.
Viele weitere Tipps und konkrete Übungen nach Beschwerdebildern finden Sie im Ratgeber “Die osteopathische Selbstbehandlung” von Thomas Seebeck.
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